Letzte
Nacht hab ich tief und fest geschlafen, bis etwa 7 Uhr. Blieb noch ne Stunde liegen,
dann ging ich frühstücken und unterhielt mich gut mit Sven, einem anderen
Deutschen hier. Danach musste der Berg auf meinem Rucksack mal beseitigt werden
und die saubere Wäsche eingeräumt. Gar nicht so einfach, in der Wäscherei hat
man alle Teile mit türkisem Faden markiert, den musste ich erstmal mit dem
Taschenmesser raus schneiden… Danach recherchierte ich noch ein wenig in
Richtung Titicacasee.
Kurz
vor 11 machte ich mich auf, es war fast warm draußen, die Sonne schien mit
leichten Wolken. Ich hatte nur zwei Pullis ohne Jacke an ;-) Ziel war der Plaza
San Pedro gleich ums Eck, wo die Free Walking Tour losging. Die war gar nicht wirklich
free, denn in Bolivien ist es verboten, irgendetwas kostenlos anzubieten. Somit
kostete sie symbolische 20 Bolivianos. Wir waren gut 30 Leute, aber unser Guide
Daniel war super und schaffte es, uns bis zum Schluss alle zusammen zu halten.
Am
Plaza San Pedro steht ein ziemlich berühmtes Gefängnis, mitten in der Stadt.
Berühmt deshalb, weil es ein Gefängnis ist, in dem ganze Familien leben. Die
Häftlinge, die es natürlich nicht verlassen dürfen, und ihre Familien, die
jederzeit raus können.
Auf dem Foto sieht man die Schlange an Besuchern, die
Angehörige besuchen wollen. Die Bewohner, über 2000, verwalten sich selbst,
haben in acht Bezirken ihre Art Bürgermeister. Die Bezirke sind unterschiedlich
reich, es werden große Geschäfte betrieben. In den Restaurants (die staatlich
gestellte eine Mahlzeit am Tag muss schrecklich sein) hat Coca-Cola das
Monopol, die haben Tische, Stühle, … gesponsort. Die wichtigste Einnahmequelle
ist „Sugar“, wie Daniel berichtete. Das Wort Kokain wollte er auf Englisch
nicht aussprechen, denn es klingt wie im Spanischen und das würde alle um uns
rum aufmerksam machen. Also werden mit Sugar Millionen gemacht. Für einige
Jahre war das Gefängnis als Geheimtipp im Lonely Planet, man konnte nämlich Touren
hinein machen. Dann ist aber wohl einiges vorgefallen und inzwischen sind sie
illegal. Und wenn man wieder raus will, muss man der Polizei am Eingang
hunderte Dollar zahlen…
Weiter
ging es dann durch einen sehr großen Markt, heute besonders, da Sonntag ist. Wie
immer gibt es hier einfach alles zu kaufen. Besonders zu erwähnen sind die 400
verschiedenen Sorten Kartoffeln, die Bolivien hat und die wahrscheinlich alle
irgendwo zu finden waren. Außerdem gibt es getrocknete Kartoffeln, die wie Steine
aussehen und bis zu 30 Jahre haltbar sind. Leider hab ich von denen kein Foto,
wird nachgeholt.
Außerdem
erklärte Daniel uns die diversen Kleidungsschichten der Frauen in ihrer
traditionellen Tracht. Die langen Röcke halten zum einen warm, zum anderen
verstecken sie den Körperteil, der auf die Männer am anziehendsten ist: die Waden!
Kein Witz, kräftige Waden sind ein Zeichen dafür, dass die Frau ihre Waren gut
bergauf zum Markt schleppen kann! (Beim Mann übrigens volles schwarzes Haar und
ein dicker Bauch, ein Zeichen dafür, dass er seine Familie ernähren kann.)
Und
nun das skurrilste: Die Bowler auf dem Kopf! In den 1920er Jahren waren viele
Engländer in Bolivien, Grund war der Eisenbahnbau, um die Schätze aus den Minen
abzutransportieren. Die Engländer trugen natürlich Bowler und einer eröffnete
einen Bowler-Laden und bestellte eine Schiffsladung aus England. Als die ankam,
war das Entsetzen groß: zu klein und auch noch in braun! Man wollte sie den
kleineren Bolivianern verkaufen, doch oh Schreck: Auch die hatten Dickschädel!
So blieben nur noch die Frauen als mögliche Kunden. Man versuchte den ersten einzureden,
ihr Outfit wäre nicht perfekt, es fehle ein Hut und schenkte ihnen einen. Die
Frauen freuten sich, wollten ihn aber auch in einer größeren Größe. Da erzählte
man ihnen, die Hüte wären in Europa absolut in Mode und sie müssten so hoch
sitzen. Die bolivianischen Frauen, die auch europäisch wirken wollten, waren
von ihrem Geschenk begeistert und empfahlen ihren Freundinnen den Laden. Und
bald trug jede Frau einen Bowler, bis heute. Sitzt der Hut gerade, ist die Frau
vergeben, sitzt er schief, ist sie ledig oder verwitwet. Oder der Wind weht zu
stark! Die Hüte werden nämlich nicht befestigt!
Nach
einer Flut an Informationen ging’s zum Hexenmarkt. Auch wenn der mitten im
Touri-Viertel ist, ist er v.a. für die Einheimischen.
Auf dem Bild sieht man
Lama-Föten bzw. Babies. Die werden mit einigem anderen verbrannt, wenn man ein
Haus bauen will. Denn auch wenn man den Boden darunter gekauft hat, gehört er
doch immer noch Pachamama, Mutter Erde, und die muss gut gestimmt werden. Für
größere Häuser sind allerdings Menschenopfer nötig, vorzugsweise Touristen…
Weiter
ging es zur Kathedrale San Francisco, die ich heute das erste Mal genauer
betrachtete. Ziemlich einmalig ist nämlich, dass an der Fassade viele Objekte
aus dem Glauben der alten Völker hier entstammen. Ziel der spanischen Invasoren
war, die Menschen in die Kirche zu locken und sie hatten Erfolg. Gegenüber der
Kirche kann man Urban Rush machen und im Superhelden-Stil die Wand runterrennen…
Schließlich
ging es in einen dritten Markt, hier gab es einen Futterstopp mit
Avocado-Sandwich (die sind super cremig hier) und Saft. Man beachte die Asiatin
links vorne im Bild. Den Selfie-Stick immer im Anschlag filmte sie echt alles,
auch den Saftmixer.
Letzter
Sightseeing-Punkt war der Plaza Murillo, an dem die Regierungsgebäude stehen.
Hier fand irgendwas Größeres statt und wir konnten einige Tänzer in
farbenfrohen Outfits sehen.
Von dort aus ging es noch in ein süßes Restaurant,
das wohl zu Red Cap gehört. Hier gab es für alle einen Shot eines lokalen
Drinks und Daniel sprach ohne fremde Zuhörer über den Präsidenten Evo Morales.
Seit 14 Jahren Präsident hat er einiges für sein Land getan: Staatliche
Unterstützung für schwangere Frauen bis zum 2. Geburtstag des Kindes,
Unterstützung für Kinder, die nachweislich eine Schule besuchen, Straßenbau,
Bau der Seilbahnen in La Paz, … Die Leute waren sehr glücklich mit ihm, bis er
sich – entgegen der von ihm selbst verfassten Verfassung – eine dritte
Wahlkandidatur erschlich. Die Leute waren empört, trotzdem gewann er die Wahl
mit über 60% der Stimmen, mehr als je zuvor. Es stellte sich heraus, dass Tote
gewählt hatten! Mit ihren Ausweisen sind andere zur Wahl gegangen. Nun geht
diese 3. Amtszeit zu Ende, mit einem Volksentscheid forderte ihr die Bolivianer
auf, dass er wieder kandidieren dürfe. Er verlor, knapp, doch mit Hilfe seines
Parlaments schaffte er es und kandidiert schon wieder. Überall sieht man hier „Evo
Si“ Schriftzüge an Hauswänden und allem, was sich sonst anmalen lässt. Im Raum
um Santa Cruz war das übrigens anders, da stand überall „Bolivia dice no“
(Bolivien sagt nein). Die Wahl ist in zwei Wochen, es dürfte spannend werden,
wie die Sache ausgeht.
So,
ich hoffe, ich habe euch mit dem ganzen Infomaterial nicht gelangweilt, ich
fand es super interessant, Details, die man in keinem Reiseführer nachlesen
kann…
Nach
der Tour, es war inzwischen 2 Uhr, machte ich mich auf die Suche nach einer im
LP erwähnten Agentur, die günstige Touristenbusse zum Titicacasee hat, mit
Pickup am Hotel. Gefunden und gebucht, morgen um 7.15Uhr (oder im Laufe der
nächsten Stunde…) werde ich abgeholt, für gerade einmal 30 Bolivianos geht es
vier Stunden nach Copacabana. Die Rückfahrt für Mittwoch hab ich gleich dazu
gebucht, die kostet 35, warum auch immer ;-) Die Zeit dazwischen verbringe ich
auf der Isla del Sol. Dort war ich im Rahmen einer organisierten Tour 2012
schon einmal, aber nur für eine Stunde, viel zu wenig.
Von
dort aus lief ich ins Higher Ground, das Café, wo wir uns gestern früh
getroffen hatten, um einen Cappuccino zu trinken. Dabei buchte ich mein Hostel
auf der Insel und entdeckte dieses tolle Schild (übrigens ist das Wifi-Passwort
dort „NoMoreStraws“):
Nun
wollte ich endlich einmal Seilbahn fahren. Zwischen dem Café und meinem Hostel
ist eine Station, also ging es los. Schon echt witzig, so über den Dächern
dahin zu schweben. Nackt Sonnen auf der Dachterrasse – die Zeiten sind hier
vorbei!
Es ging nach oben Richtung El Alto, der höher gelegenen ärmeren Stadt.
Für gerade mal 3 Bolivianos pro Fahrstrecke bekommt man einen unglaublichen
Ausblick über La Paz, El Alto und die umliegenden Berge.
Ich fuhr mit der lila
Linie bis zum Ende, dann wieder zur Mittelstation zurück, wo ich in die
silberne wechselte. Die brachte mich zum Markt von El Alto, wo ich auch schon
mal war, damals noch mit dem Minibus, der eine gefühlte Ewigkeit durch den Stau
tuckerte.
Stau gab es heute auch, jeder wollte die rote Linie nutzen, die von
dort wieder nach unten ins Zentrum fährt. Also stand ich erst an der Kasse an (es
gibt auch Karten zum Aufladen, aber das hab ich noch nicht kapiert) und dann an
der Bahn selbst. Aber es wurden immer 10 Leute abgezählt, die in eine Gondel
mussten, halb voll gab es nicht. Ging letztendlich doch recht schnell.
Die
rote Linie fährt über ein besonderes Viertel, das weithin sichtbar ist, da es
quietschbunt ist. Durch ein bisschen Farbe wurde aus einem der ärmsten Viertel
eines, das Touristen anzieht und somit ein wenig Geld einnehmen kann. Leider
hatte ich einen schlechten Platz und konnte quasi nur von oben fotografieren,
vielleicht fahr ich am Donnerstag nochmal hier lang.
Dann ging es auch noch
über den riesigen Friedhof. Hier gab es sogar Bauten, in denen die Gräber
dreistöckig übereinander lagen! (Das links im Bild sind keine Fenster in dem Haus, sondern lauter kleine Grabstätten)
An
der Talstation angekommen lief ich noch ein ganzes Stück bergab, um wieder ins
Zentrum zu kommen. Daniel hatte uns vorhin eine Empfehlung gegeben, der ich nun
folgte. Es war 5 und ich hatte Hunger. Im Marrakesch gab’s bei einem netten
Chef leckere Falafel mit Tee, als ich erwähnte, wer mich schickte, gab’s noch
Hummus obendrauf. Als ich ein großzügiges Trinkgeld gab, bekam ich noch eine
extra Umarmung, war echt ein putziger Kerl!
Ich
lief zurück zum Hostel und war um 6 wieder in meinem Dorm. Ich packte den
großen und den kleinen Rucksack, der große bleibt die nächsten Tage hier, und
duschte. Jetzt ist es gleich 9 und ich liege in meinem Space-Shuttle. Morgen
klingelt der Wecker um 6.45, wie gesagt, es geht früh los. Da es auf der Isla
del Sol kein Wifi gibt (bzw. das extra kostet, vermutlich arschlangsam ist und
ich das nicht einsehe), bleibt das Notebook hier und der nächste Blog erscheint
am Mittwochabend bolivianischer Zeitrechnung. Also keine Verzweiflungstaten bis
dorthin, lest was anderes zum Frühstück oder in der U-Bahn, ihr werdet es
überleben! Per Whatsapp bin ich vielleicht aber doch erreichbar. Erstaunlicherweise
funktioniert meine Sim-Karte für 10 Bolivianos nämlich echt noch immer, seit
mittlerweile 12 Tagen!!! Also, bis dahin, macht’s gut!
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