Mittwoch Ende der 1. Pause: Eine beunruhigende Nachricht aus dem Kunstsaal erreicht das Lehrerzimmer. Die Mutter einer Schülerin wurde positiv getestet, das Mädchen und ihre Schwester wurden umgehend aus dem Unterricht abgeholt. Die beiden betroffenen Klassen befinden sich bis auf weiteres in „Quarantäne im Klassenzimmer“ zusammen mit der jeweiligen Lehrkraft…
Donnerstag 1. Stunde: Meine 7. Klasse ist – bis auf eine Schülerin – wieder im Unterricht, wir hoffen auf positive negative Testergebnisse des Mädchens. Die Klasse ist ein wenig besorgt, wie geht es mit uns weiter? Naja, erstmal mit Mathe, alles Übrige wird sich zeigen.
Donnerstag 13 Uhr: Schulschluss für mich, für alle Fälle gehe ich mal einkaufen. Zuhause wartet dann auch noch die Box der Rübenretter sowie ein Testpaket von U-try-me auf mich.
Donnerstag 16 Uhr: Anruf von Kollegin X aus der Schule: „Caro geh einkaufen, das Mädchen ist positiv getestet!“ Gesagt getan, also geht’s zum 2. Mal an einem Tag mit gleich zwei Körben durch den Supermarkt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, der Kühlschrank ist randvoll, allein 3 Flaschen Milch und 4 Gläser Joghurt stehen darin, in der Gefriertruhe liegen Semmeln und Brot, das Weinregal ist auch gefüllt… Der offizielle Anruf der Schule erreicht mich nicht, ich war einkaufen. Auf inoffiziellen Wegen werde ich ins Homeoffice verbannt.
Donnerstag 21 Uhr: Kollegin X hat die Quarantine-Gang auf Whatsapp gegründet. Die erste Flasche Wein ist halb leer…
Freitag 8.30 Uhr: Das Hofer Gesundheitsamt ruft an und verdonnert mich zum Hausarrest. Bis inkl. Montag, 19.10. Mein Glück: Im Gegensatz zu den meisten anderen hatte ich das Mädchen zum letzten Mal am Montag. Dann werde ich gefragt, wie spontan ich bin und ob ich um halb 10 an der Freiheitshalle zum Test vorfahren kann.
Freitag 9.30 Uhr: Natürlich bin ich spontan und stehe pünktlich in der Schlange vor der Teststelle. Vor mir: Partystimmung. Männer aus mehreren, teils gut gefüllten Autos stehen eng und rauchend zusammen. Na dann. Ich schreibe lieber mit meiner Gang. Die werden meist erst am Nachmittag in Rehau bzw. Marktleuthen zum Test gerufen. Endlich bin ich dran, es wird einmal tief gegraben, dann werde ich mit einer Telefonnummer und einem Code entlassen.
Freitag 11 Uhr: Ich bin hochmotiviert fürs Homeschooling, die Schüler wohl auch, ich habe schon 5 Hausaufgaben über Moodle bekommen!
Freitag 20 Uhr: Die erste Flasche Wein ist leer. Hm, vielleicht muss ich das mit meinen Vorräten nochmal überdenken…
Samstag 8 Uhr: Ich hasse meine senile Bettflucht, aber ich bin seit halb 7 wach. Am Schreibtisch kämpfe ich mich die nächsten Stunden so durch. Irgendwie dauert es um ein Vielfaches länger, Unterricht für Homeschooling aufzubereiten als ihn ihm Klassenzimmer zu halten… Immerhin, draußen ist es grau, da will ich eh nicht raus!
Samstag 20.15 Uhr: Das Fernsehprogramm war früher auch schon mal besser…
Sonntag 14 Uhr: Innerhalb der letzten beiden Tage habe ich es geschafft, gerade mal vier Unterrichtsstunden hochzuladen. Immerhin, ich kann jetzt am Computer Erklärvideos drehen, PDFs mit dem Handy erstellen und hochladen und 360°-Drehungen auf meinem Schreibtischstuhl. Zwischendurch bekam ich auch noch mein Testergebnis: negativ. Alle übrigen auch.
Sonntag 15 Uhr: Ich versuche mich an einem Workout auf Youtube. Geil, alle fünf Minuten gibt’s ne Trainingspause, weil Werbung kommt… Beim zweiten habe ich immerhin mehr Glück und mache fleißig Situps und Liegestütze auf meinem Teppich.
Montag 7.45 Uhr: Wieso bin ich wach, verdammt, wenn ich doch einmal eine Woche ausschlafen könnte? Ich sitze am Schreibtisch, immerhin, im Homeoffice ist es kuschelig warm, nicht so wie in einem gut gelüfteten Klassen- oder Lehrerzimmer. Lüften, nein, wieso, ich behalte meine Viren bei mir!
Montag 9.30 Uhr: Was für ein Stress, ich soll schon wieder zum Test, die glauben wohl, ich hab sonst nichts zu tun??? Das Bild vor der Freiheitshalle ist das gleiche wie letzten Freitag, es wird noch etwas tiefer gewühlt, die wollen Ergebnisse!
Montag, 15 Uhr: Zu Hause auf der Couch, der Kamin ist an, mit einem Stück Kuchen und einem guten Buch lässt es sich bei Nieselregen draußen hier doch ganz gut aushalten. Die Beschäftigungen der Kollegen variieren. Einer putzt (nein, so tief bin ich noch nicht gesunken), einer malt Mandalas aus oder backt Kuchen und einer streicht den Keller. Die mit dem Hund darf wenigstens mal raus Gassi gehen.
Montag 18 Uhr: Ich beschließe mit meinem 2. Fotobuch zu starten. So gesehen hätte ich eigentlich Beschäftigung für noch dreimal Quarantäne. Mindestens!
Dienstag 8 Uhr: Meine Anfangseuphorie ist verschwunden. Manch ein Schüler hatte sie noch gar nicht. Von den Hausaufgaben (gestern war Abgabeschluss) fehlt noch über ein Drittel. Ich starte mit einer Kontaktaufnahme über die Plattform. Die Antworten sind höchst interessant…
Hm, welche meine ich wohl:
Andere Kandidaten behaupten, nicht fähig zu sein, etwas auf der Plattform hochzuladen. Immerhin bekomme ich von denen teils etwas per Mail. Auf andere Antworten warte ich bis heute…
Dienstag 11 Uhr: Die Quarantine-Gang trifft sich zur gemeinsamen Freistunde mit Kaffee und Kuchen. Online natürlich! Sehr unterhaltsam!
Dienstag 20.15 Uhr: Das Fernsehprogramm wird immer schlechter. Wählen kann ich zwischen Hartz und Herzlich (nein, ein Leben auf der Couch kann gar nicht so toll sein) und Goodbye Deutschland, bei soviel Auswanderer-Planlosigkeit erscheint einem so manch ein Schüler doch wie Einstein. Ich kapituliere und reaktiviere mein Netflix-Konto. Mit Outlander und einem Gläschen Wein komme ich durch den Abend.
Mittwoch 8 Uhr: Immer noch kein Lebenszeichen von manch einem Schüler. Langsam mache ich mir Sorgen, leben sie überhaupt noch???
Mittwoch 11 Uhr: Nach gefühlt 100 Mal besetzter Leitung komme ich endlich bei einer der beiden Nummern des Gesundheitsamtes durch: Auch der 2. Test ist negativ. Warum ich nun noch bis Montag hier zu Hause sitzen soll, ist mir ein absolutes Rätsel… Ich backe erstmal einen Kuchen. Dann beantworte ich Schülerfragen, interessant, was für Probleme so manch einer hat…
Mittwoch 14 Uhr: Das Nachmittagsprogramm steht, ein T-Shirt muss her, wenn wir wieder rauskommen, müssen wir schließlich standesgemäß gekleidet sein! Den Kollegen gefällt es, vielen Dank, damit sind wieder ein paar Stunden mit T-Shirt-Produktion gerettet!
Donnerstag 8 Uhr: Draußen ist es grau und regnerisch, nein, da will ich gar nicht hin! Und erst recht in kein kaltes Klassenzimmer, wenn ich doch hier schön am Schreibtisch mit den Füßen auf der Heizung und einer Tasse Kaffee unterrichten kann! Und kein Schüler, der mich nervt oder den Unterricht stört, ganz im Gegenteil, manch einer war noch immer nicht online gesehen. Ich greife zu härteren Geschützen und rufe zu Hause an. Ob es hilft? Die Hoffnung stirbt zuletzt…
Donnerstag 14 Uhr: Die Post ist da! Mein Überlebenspaket an Vitaminen der Rübenretter rettet mich über die nächsten Tage. Die anderen Vorräte sollten noch reichen, auch wenn ich evtl. von Wein auf Bier umsteigen muss. Andere Kollegen haben da vielleicht cleverer bestellt…
Donnerstag 17 Uhr: Etwas Mathe-Hausaufgaben am Telefon mit meiner Nichte, die geht in eine 6. Klasse. Wenn doch alle so schnell verstehen würden, was ich erkläre…
Freitag 8 Uhr: Die erste Woche geht zu Ende. Es scheint, als würde der eine oder andere Schüler tatsächlich arbeiten. Manche schicken sogar Hausaufgaben (ok, nicht immer die, die ich wollte, aber immerhin). Andere reagieren bis heute nicht. Rekord: Seit 29 Tagen nicht mehr im Mathekurs…
Freitag 10 Uhr: Eine
erneute Online-Freistunde mit den Kollegen. Hat was. Kaffeeküche im
Lehrerzimmer aber auch! Währenddessen kommen die Ergebnisse vom zweiten Test aus
Marktleuthen, sozusagen live: alle negativ!
Freitag 14 Uhr: Das Wochenende wird eingeleitet. Ich verbringe den Nachmittag mit der T-Shirt-Presse, dem Fotobucherstellen und einem schon fertigen Buch vorm Kamin. Ich gehe nahtlos in den Feierabend über.
Samstag 9 Uhr: Und schon wieder sitze ich seit über einer Stunde wach am Schreibtisch. Fair ist das wirklich nicht! Ich korrigiere die eingegangen Hausaufgaben - nicht jeder hat es geschafft. Manch einer hält mich wohl für völlig senil und schickt einfach irgendeine Seite aus dem Übungsheft... Ein paar Droh-Emails an Eltern gehen raus...
Samstag 13 Uhr: Ich vegetiere so vor mich hin, einige Maskenbestellungen retten mich durch den Nachmittag. Ich plotte Folie, schneide Stoff und presse Masken, die Zeit vergeht. Schließlich werden die Masken abgeholt und im Gegenzug erhalte ich eine frisch produzierte Flasche Eierlikör. Juhu, ich komme durch die restlichen Tage!
Samstag 19 Uhr: Die Flasche hat schon bessere Zeiten gesehen, sie scheint ein Loch zu haben! Überragend schmeckt das Ganze mit einem Löffel des neuen Milka-Nicht-Nutellas, garantiert ohne Palmöl! Ich bekomme eine Email vom Mediamarkt: Mein (zwei Tage vor der Quarantäne eingeschicktes) Notebook kann abgeholt werden...
Sonntag 8 Uhr: Mein Leben wird nicht spannender, ich bereite die letzten beiden Stunden Homeschooling vor, meine Begeisterung hält sich in Grenzen... Der restliche Tag wird nicht besser, das Fernsehprogramm ist bescheiden wie immer. Immerhin, ein Ende ist in Sicht!
Sonntag 14 Uhr: Ich verreise im Geiste: Das Fotobuch muss weiter vorangebracht werden. Dazu mein neues Lieblingshörbuch auf Spotify: "Die geilste Lücke im Lebenslauf" (6 Jahre Weltreise)
Montag 6.45 Uhr: Warum muss ausgerechnet bei mir die Müllabfuhr immer so früh kommen??? Heute hätte ich mal noch geschlafen. Naja, ich gehe an den Schreibtisch, mein letzter Tag im Homeoffice. Ich versuche nochmal Luxusdinge wie Kaffee und Füße auf der warmen Heizung zu genießen... Ein schon tot geglaubter Schüler hat geschrieben: Leider hängen seinen Hausaufgaben in den weiten des Internets fest, die Email konnte bis heute nicht gesendet werden, aaaah!!!! Genau deshalb sollt ihr die ja nicht als Fotos schicken!!! Auch in meiner Oberstufe haben sich nicht alle überarbeitet. Teils ist die letzte Anmeldung auch hier länger her als mein letzter Besuch in Selb...
Montag 11 Uhr: Ich bin ganz tief gesunken, ich putze...
Montag 13 Uhr: Ein Anruf, juhu. Hmm, das Gesundheitsamt, wie es mir denn geht, will man wissen. Na wie schon! Wie ein Tiger im Käfig, wie ein Orca in Seaworld, wie ein Backpacker ohne Reisepass! Aber das wollte die gar nicht wissen, nur, ob ich irgendwelche Symptome habe oder gehabt habe... Äh ja klar, da ist ein kleines Coronavirus durch mein Fenster reingeflogen und hat mich infiltriert! Ach ja, man teilt mir freundlich mit, dass meine Quarantäne um 23.59 Uhr endet. Kein Kommentar...
Montag 15.30 Uhr: Eine letzte Videokonferenz mit den lieben Kollegen, war gar nicht so leicht einen Termin zu finden, bei all den Verpflichtungen, die jeder einzelne über den Tag verteilt so hatte ;-)
Montag, 20 Uhr: Die Eierlikörflasche war wohl tatsächlich undicht...
Dienstag 8.30 Uhr: Ein komisches Gefühl, ich fahre nach Selb. Mein Handy liegt im Bett, hatte nicht mehr auf dem Schirm, dass man das in die Arbeit mitnehmen muss, um Whatsapp Web zu öffnen... Zunächst geht es eine Runde durch den Edeka, Vorräte auffüllen, man weiß ja nie... Plätzchenzutaten hab ich sicherheitshalber auch schon mal besorgt. Und eine Packung Klopapier, auch wenn ich mich dafür geschämt habe, aber ich hab nur noch zwei Rollen, ich schwör!
Dienstag 9 Uhr: Ich laufe ein ins WGG und werde zumeist mit Begeisterung empfangen. Mein erster Eindruck: Ganz schön kalt hier! Und klar, ich komme pünktlich zusammen mit der Maskenpflicht im Klassenzimmer zurück... Die nächsten eineinhalb Stunden verbringe ich mit der einen oder anderen Nervensäge. War schon schön im Homeoffice 😎 Jetzt muss ich live und in Farbe diese vereinsamten und völlig leeren Mathehefte sehen. Traurig!
Dienstag 13 Uhr: Der erste Tag ist vorbei, war mal ne nette Abwechslung. Nur mit Mühe komme ich davon, will man mich doch auf ein Foto mit neuen Kollegen packen! Erschreckend, wenn man schon nach zehn Tagen nicht mehr erkannt wird! Ich ergreife die Flucht, aber ich glaube, die erwarten, dass ich morgen schon wieder komme...